Mit einem jährlichen Aufkommen von 13 Mrd. Euro gehört die Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmequellen der Kommunen. Gleichzeitig ist sie schon lange eine der kontroversesten Steuern. Politisch umstritten ist die Grundsteuer, weil sie in ihrer jetzigen Form die Spekulation mit Bauland begünstigt und damit die Wohnraumknappheit eher fördert als ihr entgegenzuwirken. Deutlich älter ist die verfassungsrechtliche Kritik an der Grundsteuer, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nun bestätigt hat.
Die der Besteuerung derzeit zugrundeliegenden Einheitswerte basieren nämlich auf Wertverhältnissen aus den Jahren 1964 (Westdeutschland) und 1935 (Ostdeutschland). Zu den heutigen Werten von Grundbesitz und Gebäuden hat die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer also nur noch wenig Bezug. Das hat nicht nur den Bundesfinanzhof veranlasst, dem BVerfG gleich drei Fälle zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer vorzulegen. Auch mehrere Immobilienbesitzer haben beim BVerfG Verfassungsbeschwerde gegen die Grundsteuer eingelegt.
Alle Verfahren stützen sich darauf, dass sich die Wertverhältnisse gegenüber den jahrzehntealten Bewertungsstichtagen für verschiedene Lagen unterschiedlich entwickelt haben. Die geltende Besteuerung, die diese Wertentwicklung nicht widerspiegelt, sei daher gleichheitswidrig. Dieser Argumentation hat sich das BVerfG in vollem Umfang angeschlossen und entschieden, dass die Regelungen zur Bewertung des Grundvermögens für die Grundsteuer mindestens seit 2002 verfassungswidrig sind.
Zwar hat der Gesetzgeber bei der Wahl der Bemessungsgrundlage und bei der Ausgestaltung der Bewertungsregeln einer Steuer einen großen Spielraum. Ermöglichen die Bewertungsregeln aber ganz generell keine in ihrer Relation realitätsnahe Bewertung, rechtfertigt selbst die Vermeidung eines noch so großen Verwaltungsaufwands nicht ihre Verwendung. Auch die geringe Höhe einer Steuer rechtfertigt die Verwendung solcher realitätsfernen Bewertungsregeln nicht, meinen die Verfassungsrichter.
Sie haben dem Gesetzgeber daher aufgegeben, spätestens bis zum 31. Dezember 2019 eine Neuregelung der Grundsteuer zu finden. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die verfassungswidrigen Regeln weiter angewandt werden. Nach Verkündung einer Neuregelung dürfen sie für weitere fünf Jahre ab der Verkündung, längstens also bis zum 31. Dezember 2024 angewandt werden. Das BVerfG erkennt mit dieser langen Übergangsfrist an, dass eine Neuregelung der Grundsteuer zwangsläufig auch langwierige Neubewertungen des Grundbesitzes erfordern wird.
Bund und Länder stehen in den nächsten Monaten nun vor der Herausforderung, die Grundsteuer komplett zu reformieren. Dass dies keine einfache Aufgabe ist, liegt an vielen widerstreitenden Interessen, die bei einer Reform berücksichtigt werden wollen: Die Kommunen wollen nicht auf ihre Einnahmen verzichten, sodass eine neue Grundsteuer zumindest das gleiche Aufkommen erzielen soll. Immobilienbesitzern und Mietern gleichermaßen ist daran gelegen, dass die Reform möglichst keinen Anstieg der individuellen Belastung mit sich bringt. Und für die Finanzämter soll die Feststellung der Bemessungsgrundlage mit akzeptablem Aufwand möglich sein, was eine möglichst einfache Typisierung der einzelnen Immobilien voraussetzt. Weil die Notwendigkeit einer Reform nicht erst mit dem Urteil des BVerfG offensichtlich war, gibt es bereits mehrere Alternativen, die diskutiert werden.
Einheitswert: Theoretisch könnte die Grundsteuer in ihrer bisherigen Form fortbestehen, aber dazu müsste für alle Immobilien wieder in regelmäßigen Abständen eine Hauptfeststellung zur Bewertung des Grundvermögens durchgeführt werden. Der dafür notwendige Verwaltungsaufwand ist jedoch so immens, dass diese Alternative keine Chance hat.
Bodensteuer: Ein weiteres Modell, das bereits viele Verfechter gefunden hat, ist eine reine Bodensteuer, bei der allein der Wert des Bodens die Höhe der Steuer bestimmt. Die Bebauung der Grundstücke bleibt unberücksichtigt. Dieses Konzept würde Spekulationen mit Bauland verteuern und hätte einen positiven Effekt auf den Wohnungsmarkt, weil Investitionen in Gebäude nicht mehr zu einer Steuererhöhung führen würden.
Kostenwertmodell: Schon 2016 haben die Bundesländer eine Reform der Grundsteuer vorgeschlagen, bei der sich die Grundsteuer für unbebaute Grundstücke am Bodenrichtwert orientiert und für Gebäude einen Kostenwert einführt, der sich nach deren Grundfläche und pauschalen Herstellungskosten richtet, von denen ein altersabhängiger Abschlag von bis zu 70 % erfolgt. Dieses Modell ist im Bundesrat jedoch auf den Widerstand von Bayern und Hamburg gestoßen und daher nie im Bundestag eingebracht worden.
Äquivalenzmodell: Als Gegenvorschlag zum Kostenwertmodell haben Bayern und Hamburg ein deutlich einfacheres Modell für die Grundsteuer vorgeschlagen, bei dem sich die Steuer allein nach der Fläche von Grundstücken und Gebäuden richtet. Damit würde der teils enorme Anstieg der Immobilienpreise insbesondere in diesen Bundesländern nicht automatisch zu einer Steuererhöhung führen.